Christian Eriksen - oder was können wir für uns daraus lernen?
Derzeit macht der Herz-Kreislaufstillstand des Dänischen Fußballspielers Christian Eriksen im EM-Spiel gegen Finnland in allen Medien die Runde. Natürlich auch auf Social Media heftig diskutiert. Und jetzt muss ich auch noch meinen Senf dazugeben? Ja. :-)
Wie immer in solchen Ereignissen mit großem emotionalen Potential, geht es auf allen Kanälen rund: Es werden Helden gekürt, Kameraeinstellungen beschimpft, Mannschaftskollegen und die Familie bemitleidet etc.
Bild von Andrzej Rembowski auf Pixabay |
Was können wir für uns daraus lernen?
Was alle "Herzwochen" und öffentliche Aktionen nicht schaffen, rückt so ein Ereignis in den Mittelpunkt: Das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Erster Hilfe, hier speziell der Reanimation. Ferner rückt es auch in den Mittelpunkt, dass ein Herz-Kreislaufstillstand jederzeit passieren kann und sich nicht auf ältere Menschen mit entsprechenden Risikofaktoren (Fettleibigkeit, Rauchen...) beschränkt. Und auch regelmäßige ärztliche Untersuchungen sind keine Garantie. Hier traf es einen durchtrainierten jungen Mann, der regelmäßig ärztlich untersucht wird.
Wer sich bewusst ist, dass man jederzeit in die Lage kommen könnte, einen Menschen zu reanimieren, ist reif für die zweite Lehre aus diesem Ereignis: Schnelle Erste Hilfe ist fürs Überleben des Patienten das Allerwichtigste. Jede Minute, in der das Gehirn ohne Sauerstoff ist, schmälert die Überlebens- und Genesungschancen. "Time is brain" (Zeit ist Hirn) ist hier der Grundsatz im notfallmedizinischen Bereich. Beim Herz-Kreislaufstillstand kommt es also auf eine schnelle, richtige Erste Hilfe an.
Prüfen, Rufen, Drücken
Damit eine betroffene Person schnell Hilfe bekommt, hat man die Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW) enorm vereinfacht und sie in die drei o.g. Begriffe "verpackt":
Prüfen: Atmet die betroffene Person? Wenn ja, in die stabile Seitenlage bringen, wenn Nein:
Rufen: um Hilfe und den Notruf 112 (gilt europaweit) wählen. Danach (oder parallel):
Drücken: ca. 100 mal/Minute in der Mitte und dem unteren Drittel des Brustkorbs.
Quelle: Screenshot vom YouTube-Video |
Dazu gibt es auch zahlreiche Videos. Zum Beispiel:
Oder wenn es auf Englisch sein darf:
Zur Vertiefung und zur eigenen inneren Sicherheit empfehle ich natürlich den Besuch eines Erste Hilfe Kurses oder wenigstens eines Reanimationstrainings. Schon alleine weil rund 70 % aller medizinischen Notfälle im engeren Verwandten- oder Bekanntenkreis vorkommen. Nähere Informationen und Termine erfragt ihr am besten selber bei den Hilfsorganisationen vor Ort. Ich empfehle natürlich das Rote Kreuz, aber die Kursinhalte sind unter allen Anbietern miteinander abgestimmt und sind daher überall sehr ähnlich. Eine Wiederholung alle zwei bis drei Jahre wäre sehr sinnvoll. Du spielst mit dem Gedanken, tatsächlich an einem Kurs teilzunehmen? Dann buche jetzt! So schnell kommen wieder andere mehr oder weniger wichtige Dinge, die diesen Vorsatz zunichte machen wollen.
FAQ:
Was ist mit dem Defibrillator?
-> Am wichtigsten ist eine schnelle Herzdruckmassage. Durch sie wird ein "Ersatzkreislauf" (wieder) hergestellt. Sollte ein "Defi" verfügbar sein, sollte den eine zweite Person holen und anlegen. Der Umgang mit dem Automatischen Externen Defibrillator (AED) wird seit ein paar Jahren auch in den Erste-Hilfe-Kursen trainiert. Er ist kinderleicht, man sollte es aber mal geübt haben.
Was ist mit der Mundkontrolle und Mund-zu-Mund-Beatmung?
-> Studien in den USA haben gezeigt, dass bei der Beatmung durch Laien sehr oft wertvolle Zeit verloren geht, weil sie nicht richtig durchgeführt wird und zu viel Zeit für die Herzdruckmassage verloren geht. Durch die Be- und Entlastung des Brutkorbs strömt ja auch Luft in die Lunge und wieder hinaus. Und die ist, im Gegensatz zur Ausatemluft, mit mehr Sauerstoff versehen. Wenn wenn davon ausgegangen werden muss, dass ein Fremdkörper die Atemwege blockiert, ist dessen Entfernung wichtig. Sonst einfach die Herzdruckmassage durchführen bis der Rettungsdienst da ist.
Die Zunge verschlucken?
Das kriegt man leider aus der Berichterstattung nicht raus. Immer wieder liest man von Ersthelfern, die dem Opfer "die Zunge aus dem Rachen ziehen mussten". Das ist Blödsinn. Die Zunge ist ein Muskel. Wird man bewusstlos, lockert sich dieser und folgt der Schwerkraft. Deshalb sollen bewusstlose Patienten in die Seitenlage gebracht werden. Wenn man den Kopf nach hinten überstreckt, streckt das den Zungengrund und verhindert die Verlegung der Atemwege durch die Zunge.
Quelle: Facebook |
Was sonst noch zu sagen ist:
Wenn alle lebenserhaltenden Maßnahmen laufen, gilt es die Privatsphäre von Patienten zu schützen. Das haben die Mannschaftskollegen des Dänen genau richtig gemacht. Über die Kritik an der Kameraführung kann ich nichts sagen, da ich das Spiel nicht gesehen habe. Aber den Kameraleuten kann man keinen Vorwurf machen. Deren Auftrag ist ja, Bilder einzufangen. Dass diese dann aus der Regie gesendet wurden, ist eine ganz unglückliche Sache. Hier wäre es bestimmt sinnvoll, für solche Fälle einen entsprechenden Notfallplan zu erstellen.
Der Dänische Kapitän hat eigentlich nichts anderes getan, als seinen Job. Aber er hat ihn sehr gut gemacht. Das darf man ruhig herauskehren. Dass man nach so einem Ereignis selber fertig ist, ist völlig normal. Das geht jeder Führungskraft so. Und jede Einsatzkraft. Und jeder hat seine eigenen Kompensationsmechanismen um damit fertig zu werden. Die einen weinen, die anderen reden, die nächsten machen Sport oder gehen in die Kirche...
Dass solche Themen in den Sozialen Netzwerken große Aufmerksamkeit haben, ist Fluch und Segen zugleich. Nützen wir es für das Positive. Und wenn sich durch dieses Ereignis mehr Menschen mit dem Thema der Wiederbelebung befassen und sich darin ausbilden lassen, war der Herzstillstand von Christian Eriksen nicht vergeblich. Gott sei Dank hat die Rettungskette lückenlos funktioniert und der Fußballer ist auf dem Wege der Besserung. Nicht alle Reanimationen gehen so glücklich aus, aber die Chancen für den Patienten steigen mit jedem couragierten und richtig handelnden Ersthelfer.
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