Ich bin gerne beim Roten Kreuz
Gerade wurde das Deutsche Rote Kreuz bei RTL durch das "Team Wallraff" unter Beschuss genommen. Dementsprechend ging es natürlich auch in den Sozialen Netzwerken ab. Und obwohl ich es besser wissen sollte, bin ich einmal mehr entsetzt über die Reaktionen in den Sozialen Medien, die durchaus in Richtung Shitstorm gehen.
Ja, ein paar Dinge haben mir schon Bauchweh bereitet. Vor allem die Dokumente, die bei den Spenden eine Zweckbindung vorgaukelten. Sowas geht gar nicht. Da muss wirklich nachgearbeitet werden.
Was mich generell entsetzt, ist der Shitstorm, den solche Sendungen auslösen. Diejenigen, die in den letzten Tagen mit dem Hashtag #haltdieFresseBild meinten, sich gegen schlechten Journalismus einzusetzen, hetzen jetzt, aufgrund einer "Reportage" bei RTL (!!!) gegen das "böse Rote Kreuz". Unkritisch, emotional -> "Emotion schlägt Hirn".
Neben den reißerischen Trailern mixte das Team Wallraff verschiedene Tätigkeitsfelder des DRK bunt durcheinander und schilderte üble Einzelfälle. Im Kommentar wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass dies nur Einzelfälle seien und die meisten Mitarbeiter gute Arbeit leisten. Das hört natürlich der wütende Social Media Mob nicht. Denn die Bilder zeigen übelste Fehler:
- - Nachlässige Behandlung und nicht vorhandene Triagierung in einem Rotkreuz-Krankenhaus.
- -> Das ist absolut zu verurteilen, kommt aber in jedem Krankenhaus Deutschlands vor. Nicht, weil das Personal nachlässig ist, sondern weil eine Überzahl an Patienten die personellen Ressourcen an die Grenzen und darüber hinaus bringt. Ein Problem unseres Gesundheitssystems und teilweise auch des Klinikbetreibers.
- - Drückermethoden bei den Werbern, die von Tür zu Tür gehen und versuchen, Fördermitglieder zu gewinnen.
- -> Die Methoden im gezeigten Fall sind nicht in Ordnung. Die Beauftragung einer Fremdfirma ist üblich. Hier ist eben das generelle Dilemma: Das Rote Kreuz finanziert sich überwiegend aus Spenden und Fördermitteln. Spender und Förderer müssen irgendwie gewonnen werden. Die Werber sollen Förderer und Spender werben, aber nichts kosten. Das geht nicht. Außerdem werden die erfolgreichen Werber, die heute fürs DRK werben, morgen für eine x-beliebige andere Hilfsorganisation auf die Straße gehen.
- Hinweis: Nicht alle DRK Gliederungen greifen auf eine Fremdfirma zurück! Manche Landesverbände beschäftigen eigene Werber.
- - Vernachlässigung einer HausNotruf-Patientin.
- -> Ich kenne es aus meinem Kreisverband nur so, dass die im HausNotruf (HNR) beschäftigten Menschen alle einen aktuellen Erste Hilfe Kurs besuchen. Das war dort wohl nicht der Fall und ist so nicht hinnehmbar. Die geschilderte Situation des Sohnes einer ehemaligen Nutzerin des HausNotrufs war ganz sicher auch nicht optimal realisiert. Zum Beispiel sollte bei regelmäßiger Sturzneigung von Nutzern irgendwann auch seitens des HNR-Anbieters zum Umzug in eine Pflegeeinrichtung geraten werden.
- - Nachlässigkeit beim Rettungsdienst.
- -> Die Aussage "Die fünf Minuten machen beim Schlaganfall nichts aus" ist so nicht hinnehmbar. Natürlich entladen sich darüber auch Emotionen im Internet. Allerdings scheint dies das einzige Erlebnis des "Praktikanten" gewesen zu sein. Nirgends wird darauf hingewiesen. Sonst wären ja sicher mehrere Beispiele gezeigt worden. Dass ein Rettungsdienstmitarbeiter sich manchmal auch kurze Zeiten der Erholung erkämpfen muss, ist eben auch bittere Realität. Das liegt aber nicht am DRK sondern an den knappen Ressourcen im Gesundheitssystem.
- - Krankentransporte durch Rettungswagen.
- -> Darüber hat der Südwestfunk schon vor ein paar Jahren berichtet. Auch hier gibt es Fehler im System. Da könnte das Rote Kreuz durchaus Änderungen herbeiführen helfen.
- - Unfaires Verhalten gegenüber Mitbewerben bei Sanitätswachdiensten.
- -> So verständlich die Enttäuschung über den entgangenen Auftrag beim Münchner Oktoberfest ist, wäre dieses Verhalten seitens des Bayerischen Roten Kreuzes tatsächlich sehr unsportlich und alles andere als Vorbildlich.
- - Selbstentnahmen aus Kleiderspenden.
- -> Kommt vor. Ist nicht in Ordnung. Reicht aber nicht zum Skandal. Allerdings weiß man auch z.B. von den Tafeln, dass sich dort oft Menschen zur Mitwirkung bewerben, die sich dadurch Vorteile für sich selber erhoffen. Das ist menschlich. Trotzdem sollte es nicht vorkommen.
- - Geld verdienen an Blutspenden.
- -> Dieser Vorwurf kommt ja regelmäßig. Sonst eher bei Stern und Spiegel. Abgesehen davon, dass die Infrastruktur nicht billig ist, verwirrt der TV-Beitrag mit der Möglichkeit eines "Patient Blood Management", das den Bedarf an Blutkonserven massiv verringert. Dies wird offensichtlich nur an wenigen Kliniken in Deutschland durchgeführt. Was das Rote Kreuz dafür kann, bleibt aber im Beitrag offen.
- - Die hohen "Managergehälter" in Verbindung mit Intransparenz.
- -> Hier würde Transparenz einerseits helfen, Spekulationen zu unterbinden, andererseits versteht nicht jeder Bürger, dass für qualifizierte Managertätigkeiten auch entsprechende Entlohnung erfolgen muss, um der Position und Verantwortung gerecht zu werden. Es ist immer ein Balanceakt: Bei allem Idealismus will ein guter Manager auch ein halbwegs attraktives Auskommen entsprechend seiner Verantwortung haben. Und wenn er gut ist, macht sich das im Endeffekt auch für die Organisation bezahlt. Wie gesagt: Transparenz wäre hier sicher hilfreich.
- - Generierung von Einnahmen durch Mieten.
- -> Vorher war die Kritik an den Außendienstaktivitäten zur Gewinnung von Fördermitgliedern, jetzt wird Kritik an einer Einnahmequelle in Form von Immobilien geübt. Wie das Rote Kreuz sonst zu Geld kommen soll, bleibt Wallraff dem Zuschauer schuldig.
- - Politischer Einfluss durch politische Repräsentanten.
- -> Als Hilfsorganisation dem Staat zur Verfügung zu stehen, ist international eine Grundlage der Rotkreuzarbeit. Inzwischen gibt es auch in Deutschland ein Rotkreuzgesetz, das diese Zusammenarbeit regelt. Das bedeutet nicht nur Rechte sondern eben auch Pflichten. Schon der Gründer, Henry Dunant, hatte diesen Weg vorgegeben. Wie sonst sollte im Kriegsfall die Anerkennung als neutrale Hilfsorganisation gegeben sein? Aber hiervon "Macht" abzuleiten, macht nicht wirklich Sinn.
- Dass sich in Deutschland über 400.000 Menschen ehrenamtlich in den verschiedenen Aufgabenfeldern des Roten Kreuzes engagieren und Tag und Nacht bereit stehen, zu helfen, wenn Hilfe benötigt wird.
- Dass über 180.000 Hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Rettungsdienst, Pflege und Sozialer Arbeit Tag und Nacht bereitstehen, ebenfalls um zu helfen.
- Dass das DRK auch international dazu beiträgt, dass Menschen geholfen wird.
Ich bin jetzt seit gut 20 Jahren beim DRK. Bis dahin waren vier Jahre das längste, was ich für einen Arbeitgeber tätig war. Als Mensch, der immer mal wieder neue Herausforderungen braucht, habe ich hier so vielfältige Aufgabengebiete und Abwechslung, dass ich hier gerne bis zur Rente (hauptberuflich) und darüber hinaus (ehrenamtlich) aktiv bin. Das liegt auch an der föderalen Struktur des DRK, das mich in einem Kreisverband tätig sein lässt, in dem ich vielseitige Förderung erhalte. Kollegen, die das wollen, natürlich auch. :-)
Das Rote Kreuz ist nicht perfekt. Erfolg zieht immer Neider nach sich. Das ist leider so. Und egoistische Menschen gibt es überall. Aber ich habe inzwischen so viele Menschen aus dem Roten Kreuz, national wie international, kennenlernen dürfen, dass ich auch weiterhin den Rotkreuzgedanken weltumspannender humanitärer Hilfe und Unterstützung leben will und werde.
Nachtrag: Das DRK hat ebenfalls auf Facebook dazu Stellung genommen.
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