Satz mit X - Schade Twitter

Es hat sich ja schon länger angebahnt, dass Twitter für die Nutzung im Bevölkerungsschutz immer weniger attraktiv wird. Über Jahre hinweg war Twitter das Medium um Kurznachrichten öffentlich zu verschicken (= tweeten) und diese durch einen Retweet weiter zu verbreiten. Twitter war für jeden ohne Anmeldung zugänglich und alle öffentlichen Tweets so auch für jeden sichtbar. Viele Behörden und Medien machten sich das zunutze und somit war Twitter auch für das Monitoring von besonderen Ereignissen das ideale Medium schlechthin. Dies auch, weil es vergleichsweise einfach war, Hashtags oder Schlagworte über Recherchetools herauszufiltern.

Nicht nur prominente Personen konnten sich durch einen "Blauen Haken", der eigentlich ein weißer Haken auf blauem Grund war, verifizieren lassen, sondern auch Hilfsorganisationen, Ämter oder Behörden. Das war in der Bewertung der Glaubwürdigkeit eines Accounts ein äußerst wichtiges Kriterium, wenn es darum ging, Informationen in Tweets zu verifizieren. Bei einem verifizierten Account war die Wahrscheinlichkeit, dass die verbreitete Information zuverlässig oder sogar offiziell ist, wesentlich höher als bei einem Account ohne entsprechende Kennzeichnung. 

Sehr hilfreich ist die Möglichkeit, Twitterlisten anzulegen. In diesen Listen können zum Beispiel Behörden, Hilfsorganisationen, Medien oder Medienvertreter gelistet und deren Tweets verfolgt werden. Diese Möglichkeit besteht nach wie vor.

Mit der Übernahme des Unternehmens durch Elon Musk hat sich das alles geändert. Tweets lesen kann nur, wer sich angemeldet hat. Die Verifizierung kann bzw. muss jetzt gekauft werden. Die Zahl der Tweets sind eingeschränkt. Sowohl derer, die man sendet als auch derer, die man lesen will. Wer bezahlt hat, kann mehr Tweets senden und lesen. Die Folgen dieser Einschränkung musste die Feuerwehr Hamburg im Rahmen einer Bombenentschärfung am 05.07.23 schmerzhaft erleben. Das Monitoring war durch die Einschränkung seitens Twitter recht schnell am Limit angelangt und es wurden keine Tweets mehr angezeigt.


Der neueste "Coup" ist ja die Umbenennung von Twitter in "X". Die Strategie des neuen Besitzers zielt wohl darauf ab, X zu einer Universalplattform zu entwickeln, über die auch Videotelefonate und Bezahlen möglich sein soll. Ob es das braucht oder diese Strategie Erfolg haben wird, kann ich nicht beurteilen. Aktuell wird wohl der Handel mit Kryptowährung in die Wege geleitet.

Mir, und sicher den meisten meiner VOST-Kollegen und Digitalen Einsatzunterstützern, hätte Twitter als Kurznachrichtendienst, als der es ursprünglich gedacht war, vollkommen ausgereicht. Durch die Bevorzugung von Bezahlkunden fiel jetzt weg, was Twitter bisher von allen anderen Sozialen Medien abgehoben hat. Natürlich wird Twitter auch weiterhin Teil des Monitorings sein, aber eben nicht mehr die Rolle spielen, die es bisher gespielt hat. Und Ersatz ist schwer zu identifizieren.

In der Zeit der ersten Änderungen und Einschränkungen wechselten viele User zu Mastodon. Der wesentliche Unterschied zu Twitter ist der, dass Mastodon nicht auf Servern eines einzelnen Anbieters läuft, sondern auf viele Anbieter verteilt ist. So gibt es zum Beispiel Server von und für Feuerwehren und Rotes Kreuz. Man muss sich also zunächst einen Server heraussuchen, über den man sich dann anmeldet und einen Account erstellt. Die Server untereinander sind allerdings vernetzt. Man kann also durchaus auch Nachrichten aus aller Welt lesen und in alle Welt verschicken. So wirklich Schwung kommt auf Mastodon allerdings nicht auf. Außerdem posten (= tröten) dort noch nicht sehr viele Einsatzorganisationen, Behörden oder Medien. Viele Twitter-Abwanderer sind daher wieder zu Twitter zurückgekehrt oder betreiben die Accounts parallel. 

Twitterkonkurrent Meta, bei dem u.a. Facebook und Instagram betrieben werden bietet mit Threads eine hoffnungsvolle Alternative. Da ein Threads-Account mit einem Instagram-Account verbunden ist, hat ein Neuling auf Threads schon ein ordentliches Netzwerk. Leider ist das Angebot in Deutschland und anderen europäischen Ländern derzeit nicht nutzbar. Der Datenschutz mal wieder... Aber auch hier scheint die erste Begeisterung zu weichen, wie der nachfolgende Screenshot zeigt. Auch seien die Nutzerzahlen inzwischen wieder eingebrochen. Schade eigentlich. Vielleicht gibt es ja noch einen Schub, wenn sich Meta den europäischen Datenschutzrichtlinien beugt. 


Aktuell befindet sich Bluesky im Aufschwung. Hierher ziehen auch viele deutschsprachige Accounts. Allerdings kann man sich dort aktuell nur mit Einladungscode einloggen. Um Einladungscodes zum Einladen zu erhalten muss man eine gewisse Zeit angemeldet sein. Hashtags gibt es dort derzeit nicht. Direktnachrichten und GIFs können aktuell auch nicht versendet werden. Aber das kann ja noch werden. Die Benutzeroberfläche ist jedenfalls Twitter schon sehr ähnlich und erfordert kaum Umgewöhnung.


  
Auch Post steht noch in den Startlöchern. Dorthin haben bisher aber kaum deutschsprachige User gefunden. 

Für die Arbeit eines VOST bedeutet die neue Situation in erster Linie mehr Aufwand in der Recherche. Twitter fällt als zuverlässiger Lieferant von Informationen weg und hinterlässt damit eine große Lücke. Die Hashtag- oder Stichwortsuche war auf Twitter schon komfortabel. Der Zeitaufwand, in verschiedenen Netzwerken zu recherchieren steigt und somit auch der Personalbedarf. Man darf gespannt sein, wohin die Reise geht. Wir werden jedenfalls dranbleiben. 

Stand: 19.08.2023  15:30 Uhr



Und wer mein Buch noch nicht kennen sollte - da steht zum Thema "Social Media in Katastrophen" noch einiges mehr drin. Vor allem für Einsatz- und Leitungskräfte. 

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